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Kramladen Thomas Langer – Jazz-Gitarrist und diesjähriger Kulturpreisträger

ByteFM: Kramladen vom 27.03.2014

Ausgabe vom 27.03.2014: Thomas Langer – Jazz-Gitarrist und diesjähriger Kulturpreisträger

Es soll ja noch immer Menschen geben, auch solche mit Experten-Nimbus und Fachverstand, die das Schubladen-Denken und Kästchen-Einordnen nicht lassen können. Bist Du Jazz-Connaisseur oder Rockfan, oder Jazzrock-Anhänger oder Lounge-Jazz-Rock-Pop-Soul-Ambient-Groove-Worldbeat-Mix-Crossover-Fusion-Fuzzy. Bekenne: Which side are you on? Das ist für viele Zeitgenossen noch immer eine Glaubensfrage.

Der diesjährige Kulturpreisträger der Stadt Rodgau, der hier zu feiern ist, kann darüber nur milde lächeln. Schließlich ist das Wort „Scheuklappen“ für ihn ein Fremdwort und tatsächlich spielt er ständig mit Musikern aus allen möglichen, wenn’s geht auch unmöglichen Genres. Und das verdammt gut und gekonnt. Ein grenzenüberschreitender, souveräner Gitarrist wie Thomas Langer spielt mit Jazzgrößen wie der deutschen Hammond-Organ-Virtuosin Barbara Dennerlein, dem US-amerikanischen Fusion-Musiker Bob Mintzer von der Band Yellowjackets, dem holländischen Trompeter Ack van Royen und dem ungarischen Saxophonisten Tony Lakatos und schreckt auch vor Deep Purples „Smoke On The Water“ nicht zurück, sondern findet im Gegenteil in den altbekannten Rauchschwaden überm Wasser noch ungeahnte, funkelnde Tonpartikel und lässt hinter den Schleiern von Dunst und Rauch klare Linien und neue Konturen erkennen.

Und natürlich bleibt dieser von unzähligen Muckern und Oldie-Bands geschundene Ur-Riff aus der Steinzeit des Hard and Heavy-Rock Dab-Dab-Daa, Dabdab-Da-Daa, natürlich bleibt dieser Prototyp des krachenden Rock-Riffs unter den kreativen Händen und den spielfreudigen Fingern von Thomas Langer nicht unverändert, sondern wird in andere Musikwelten transformiert. Zitat „Die Idee „Smoke On The Water“ als Bossa Nova zu spielen, ist nicht nur lustig, sondern funktioniert auch musikalisch bestens“, schrieb die Rezensentin Angela Ballhorn in ihrer Besprechung des Albums „The Beat Goes On“ des Trios Thomas Langer, Wolfgang Schmid und Daniel Messina.

Und gleich noch ein vielsagendes Zitat, diesmal von Wolfgang Spindler, geschrieben für die Frankfurter Rundschau: „Langer verfügt nicht nur über eine beneidenswerte Technik, sondern auch über ein Melodiegespür von individuellem Rang, und er schafft es als Solist fast mit Leichtigkeit, Jazz-Klassiker, die nicht für sein Instrument geschrieben wurden, mit überraschenden harmonischen Wendungen, mit perlenden Arpeggios und ungewöhnlichen Voicings in neue Kleider zu hüllen. Langer spielt so herrlich unbelastet wie früher Volker Kriegel, Attila Zoller oder Pat Metheny“.

Thomas Langer ist zweifellos ein außergewöhnlicher Gitarrist und dazu ein Komponist von Format. Man erinnere sich nur an sein zweites Album Kalalak von 1999. Gleich das erste Stück, ein melodiöser Popjazz-Titel weiß musikalisch zu überzeugen und ist überschrieben „Alpenhauptkamm“, nach dem hochalpinen Tourenweg, der entlang der höchsten Gipfel der Alpen verläuft. Die Musik zum Alpenhauptkamm vermittelt tolle Aussichten und wunderbare Perspektiven. „Kalalak“ ist überhaupt ein großartiges, nuancenreiches Album, mit viel Klangfantasie ausgestattet und mit schönen, mal erzählerischen, mal atmosphärischen Stimmungsbildern musikalisch inszeniert.

Mal hört man den Chorgesang von Kindern einer Schulklasse auf einer kapverdischen Insel, eingerahmt von einem behutsamen, kammermusikalisch klingenden Arrangement. Mal beschreibt er eine aufregende Busfahrt im Trubel des Asphaltdschungels einer südeuropäischen Metropole, musikalisch veranschaulicht mit einer dynamischen Rush Hour aus flinken Gitarrenlinien, pulsierenden Bassklängen und Tango-Tönen des Akkordeons. Er lässt den Zuhörer mitreisen zum südlichsten Zipfel der Insel La Palma, um dort in Fuencaliente die warmen Quellen zwischen erloschenen Vulkanen zu besuchen. Und dabei erhält die südländische Melodik und Rhythmik der Komposition eine dunkle Färbung, als wolle sie andeuten, dass die Vulkane San Antonio und Teneguia von Fuencaliente jederzeit wieder ausbrechen können.

Dann rockt er wie der Teufel, oder wie der Gitarrengott Clapton, mit plakativen Riffs im Stile von Cream, ebenso kraftvoll wie clever im Titel „John Bürgerhaus“, in dem er seine E-Gitarre mit Wah-Wah-Pedal und Verzerrer alle Tricks und Licks aufführen lässt, die jedem berühmten Rock-Gitarrero zur Ehre gereichen würden. Erholung gönnt er anschließend dem Zuhörer im freundlich elegischen und ruhigen Stück, das auch so heißt: „Die Ruhe (Mit ins Bett)“. Und dann führt er eine Art Müsettwalzer auf im intensiven dialogischen Walzertanz zwischen Gitarre und Bandoneon im lustig überschriebenen Titel „Schneelärm“.

Seine humorvolle Ader zeigte sich auch schon mit der Titelüberschrift „John Bürgerhaus“, was ein typischer Musiker-Joke ist, entstanden beim unterwegs sein auf Tour, wo dann einer fragt, „wo spielen wir denn heute?“, worauf die Antwort kommt „schon en Bürgerhaus“, woraus dann kalauernd „John Bürgerhaus“ wurde. Nach oben gezogene, lächelnde Mundwinkel zeigen sich auch im Titelstück „Kalalak“, so heißt ein heiliges Fabelwesen aus dem Dschungel Madagascars, an das die Einheimischen glauben, weil es über magische Kräfte verfüge. Es soll menschliche Züge haben, was sich vor allem an den Füßen des Fabelwesens zeige, die den menschlichen Füßen sehr ähnlich seien, mit dem Unterschied, dass dessen Zehen nach hinten und die Fersen in Laufrichtung ausgerichtet seien. Dazu passe auch, sagt er schmunzelnd, dass „Kalalak“ sich gleichermaßen vorwärts wie rückwärts lesen lasse.

Am Ende dieses hoch interessanten Gesprächs habe ich ihn noch gefragt, welche Musiktitel er denn anlässlich der Verleihung des Kulturpreises an ihn spielen würde, da schnappte er sich mein alte Klampfe, sagte: „wahrscheinlich den!“ und spielte dann eine hinreißende Fassung des Beatles-Klassikers „Here There and Everywhere". Und mein Beatles-Herz frohlockte.

Ladies and Gentlemen. Thomas Langer sei gepriesen: hier, dort und Everywhere.

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Playlist

1.  L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik)
Touch Me There / Zappa Records
2.  Thomas Langer / Alpenhauptkamm
Kalalak / Hot Wire Records
3.  Thomas Langer / Kalalak
Kalalak / Hot Wire Records
4.  Thomas Langer / John Bürgerhaus
Kalalak / Hot Wire Records
5.  Jutta Vollmann / Hard Times
Mrs. Patience / emojazz
6.  Thomas Langer / 2 AM Radio
LANGER / TomLong Records
7.  Langer Schmid Messina / Don’t Let Me Down
The Beat Goes On / emojazz
8.  Langer Schmid Messina / Ferry Cross The Mersey
The Beat Goes On / emojazz
9.  Tiemo Hauer / Wer Ich Bin
Für den Moment / Green Elephant Records
10.  Thomas Langer / New York
Where Is One / emojazz